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Channel: Kurz und gut - unsere Familiennotizen
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Mein Schulkind

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"Jetzt muss ich nur zwei Tage Wochenende überstehen und dann darf ich wieder in Schule."
Sagt, eigentlich schon alles aus und würde ich den Post hier beenden, könntet ihr euch trotzdem vorstellen, wie es in Schneckis Klasse so ist.

Ein bisserl möchte ich euch aber trotzdem erzählen :-)

Der Tag in der Mehrstufenklasse beginnt damit, dass die einzelnen Lehrer jedes der Kinder begrüßen und ist Lupo, der Therapiehund da, begrüßt auch er die Kinder. So wie ich das von Schneckis (manchmal sehr raren) Erzählungen mitbekomme, fällt diese Begrüßung für jedes Kind anders aus, je nachdem, wie "kontaktfreudig" das Kind ist. Der Schnecki wird mit einem "Schlecksi" begrüßt: meistens auf der Wange oder, wenn er dem großen Hund den Kopf hinhält, in den Haaren.

Nach dem "Ankommen" setzen sich die alle gemeinsam auf den großen Teppich in der Mitte des Klassenzimmers und besprechen den Tagesplan. Der Unterricht ist eingeteilt in Lernphasen, Lesezeit, ELEMU (elementare Musikpädagogik), Werken, Turnen.

Jeden Dienstag findet der Klassenrat statt. Dort wird darüber entschieden, welches Thema die Kinder in der nächsten Zeit näher und genauer durchnehmen möchten (z.B. Igel oder Laserstrahlen), es wird darüber abgestimmt, was für die gemeinsame Jause am Freitag eingekauft werden soll; es werden aber auch Dinge besprochen, die die Kinder belasten oder stören (so war zum Beispiel einmal der Fall, viele in der Klassen von zwei oder drei anderen Kindern mit dämlichen Spielchen genervt wurden. Das wurde angesprochen und ausdiskutiert. Der Schnecki hat mir erzählt, dass sein Freund "Herr Groß" am Ende sagte, er sei sehr froh, dass das jetzt geklärt ist) Ich denke, dieser Klassenrat ist eine ganz wichtige Sache. Die Kinder lernen, klar auszusprechen, was sie stört, was sie anders machen möchten. Sie lernen, Probleme nicht in sich hineinzufressen, sondern sie beim Namen zu nennen und sie auszudiskutieren. Sie lernen, dass das Ansprechen eines Problemes wieder mehr Ruhe in die Gruppe bringt, auch wenn es in der Dikussionsphase vielleicht manchmal ein bisserl hitzig zugehen kann. Sie lernen aber auch, Kritik anzunehmen und über ihr eigenes Verhalten und wie es auf andere wirkt, nachzudenken.

Am Donnerstag geht ein Kind jeder Schulstufe mit einem Lehrer/einer Lehrerin für die gemeinsame Jause einkaufen - machmal auf den Markt, machmal einfach in einen Supermarkt. Dabei wird gleich ein bisschen "angewandte Mathematik" betrieben.

Einmal im Monat geht die ganze Klasse in die städtische Bücherei. Die Kinder suchen sich die Bücher aus, die sie im kommenden Monat während der Lesezeit lesen möchten und außerdem wir eine vorbereitete Kiste mit Buchmaterial (und eventuell Audio- und Videomaterial) für jede Schulstufe (also von Vorschule bis 4. Klasse) eines zuvor bestimmten Sachunterrichtsthemas mitgenommen (im Oktober war das z.B. der Herbst)

Jede Woche bekommt der Schnecki einen Lernwörterplan, in den er täglich seine Lernwörter schreibt. Dabei wird der vorige Tag umgeklappt (ähnlich wie bei dem Satz-Bilde-Spiel: Onkel Fritz sitz in der Badewanne - kennt ihr das?), damit er die Wörter nicht einfach abschreibt.
Außerdem lernen die Kinder jedes Wort mittels Gebärdensprache zu buchstabieren. Nicht nur, dass sie somit wirklich binnen kurzer Zeit beherrschen, ein Wort zu buchstabieren, wenn sie es nur vor ihrem geistigen Auge sehen, es macht dem Schnecki auch so viel Spaß, dass er sich oft den Zettel mit den Abbildungen der einzelnen Buchstaben holt (inzwischen kann er eh fast alle auswendig) und beginnt, verschiedene Wörter zu buchstabieren. Manchmal machen wir auch ein Spiel daraus und jeder "zeigt" dem anderen ein Wort und der muss es "lesen" können (irgenwie ähnlich, wie in meiner Kindheit die "Stummerlsprache", die man mit den Fingern gezeigt hat)

Hausaufgabe bekommt er jeden Tag auf und - wie ich finde - eine ganze Menge. Da sich das Kind bisher aber noch nie beklagt hat, dass es ihm zu viel wäre, sage ich ihm gegenüber auch nicht, dass ich finde, dass er viel Aufgabe hat, sonst kommt er noch auf komische Gedanken :-)
Gibt es einen guten Grund, wie Besuch, Arzt oder sonst etwas, darf er sich einmal in der Woche hausaufgabefrei wünschen. Zwei Mal hat er das bisher in Anspruch genommen.

Die Kinder können in Lernphase und Lesezeit entscheiden, ob sie am Tisch oder am Boden sitzen oder am Boden liegen wollen. Der Schnecki sitzt in der Lernphase (also beim Schreiben und Rechnen) am liebsten beim Tisch, lesen geht er entweder in die Lesegallerie (das ist eine zweistöckige Biblibiothek neben dem Klassenzimmer) oder er legt sich zum Lupo auf den Boden ("dann kraul ich ihn am Ohr, da kann ich besser lesen" hat er mich erklärt).

Es gab auch schon einen ganz tollen Ganztagesausflug in das Weinhandwerk. Dort sammelten die Kinder Wildkräuter (wie Schafgarbe, Sauerampfer usw.) und haben daraus Kräuterbutter und Aufstriche gemacht. Sie haben Wildpastinaken gesucht und ausgegraben, Weintrauben gelesen und ihren eigenen Traubensaft gepresst.
Jetzt, im November fahren sie nochmal hin und werden Vogelfutterkugeln herstellen und Maroni im Feuer braten. Herrlich, ich wär sooooo gern dabei :-)

In ELEMU haben jetzt auch die Kinder der 1. Schulstufe begonnen, Flöte zu spucken. Das taugt ihm und für ihn ist klar, dass er in der 3. Klasse Chello spielen lernen möchte.


Jeden Tag gibt es Obst oder Gemüse aus der Biokiste. Die wird von einem Wiener Gärtner geliefert (ich glaube für jede Klasse in unserer Schule). Ein Kind holt die Kiste mit für den jeweiligen Tag aus dem Schulkeller, dann wird das Obst oder Gemüse für alle aufgeschnitten (dabei dürfen die Großen auch schon mitarbeiten) und jeder nimmt sich, so viel er möchte. Ein anderes Kind bringt die leere Kiste wieder nach unten.
Einmal pro Woche hat der Schnecki gemeinsam mit einigen anderen Kindern Küchendienst. An diesem Tag sind sie dafür verantwortlich, die Becher und das Geschirr der Obst- und Gemüsejause, abzuwaschen, abzutrocknen und wegzuräumen.

Nach der Schule gehts dann gemeinsam mit ein paar anderen Kindern hinüber in den Hort. Die Startschwierigkeiten sind inzwischen längst verflogen. Er ist - auch was die Lautstärke betrifft - inzwischen recht schußfest geworden und schafft es, Kinder und Situationen, die ihm nicht liegen, irgendwie auszublenden.

Er ist angekommen in seinem neuen Lebensabschnitt.

Es ist schön zu sehen, mit welcher Selbstverständlichkeit er sich nun auch im Hort bewegt, dass er richtig gute Freunde gefunden hat und dass er sich so wohl fühlt, dass es schon das eine oder andere mal zu Diskussionen mit mir gekommen ist, weil ich ihn - seiner Meinung nach - zu früh abgeholt hätte.

Was will man mehr? Nichts! Denn ist das Kind glücklich, dann bin ich es auch, dann merke ich, wie augenblicklich zentnerschwerer Ballast von mir abfällt und ich wieder ruhig und ich selbst werde, ohne ständig nervös zu sein, zu grübeln und nächtens wach zu liegen.




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